#Nachtgedanken Ein Lied will ich euch singen, Ein Lied von Freud und Leid. Ein Lied von wahrer Liebe Und großer Traurigkeit. --- Es war einmal ein Meer aus Menschen, Im Strom der Zeit und ungestillt, Ein jeder eine Insel ward, Mit Worten angefüllt. Die Worte jeder von sich gab, In endlos weiten Raum, Das sie wohl einer finden mag; Ein Mensch mit gleichem Traum. In diesem Meer trieb Er, Ziellos und ohne Plan, Bis eines Tages er gewahr, Ein Wort, das es ihm angetan. Die Worte, die Sie schrieb, Ihn zogen in den Bann, Je mehr und mehr er von ihr las, Ward es um ihn getan. Ein Schlüssel ihre Worte war'n, Zu lang verschlossnem Schrein. Ein Schatz, der tief verborgen lag, Befreiet nun sollt' sein. So fing er an zu reimen, Er fügte Wort an Wort, In lang' und kurze Zeilen, Und sandte sie hinfort. Ihr' beider Worte woben sich, Zu einem Kanon schwollen an; Und ihre Herzen hoben sich hinauf, bis zu der Sterne Bahn. Sie tanzten einen Reigen Und war'n mal fern, mal nah; In Nähe wars Glückseligkeit, Die Ferne wurd' zur Qual. Sie liebten und sie litten, Doch konnten es nicht wagen, Die Liebe, die sie fühlten, Einander anzutragen. Sie dachte sich: "Mein Liebster, Was schaust du mir so bang? So sprich doch aus die Worte, Auf die ich wart' so lang!" Er schaut sie an und schweiget, Und schweiget immer fort. Stumm sein Mund nur bleibet, Es kam kein einzig Wort. So oft sie sich begegnen, Nur Blicke warns allein, Und immer ohne Worte, Nur Schweigen sollte sein. Sie dachte sich: "Mein Liebster, Egal, was ich auch tu', Es ist wohl nicht zu ändern, Dir fehlt's an Stolz und Mut." Er dacht' bei sich: "Wie kann ich dir nur sagen, Was mich so sehr bewegt? Kann kaum in Worte fassen, Was tief im Herz' sich regt. Hab' nie gelernt zu reden, Zu sprechen alles aus. Drum greif zu Stift und Bogen ich Und schreib es dir hier auf: Mein Herz du hast berühret, Mit deiner Worte Macht! Mit Zeilen, die du schriebest, Dereinst in tiefer Nacht. Worte, wie Feuer, Das in dir brennt. Wird es entfacht, keine Grenzen kennt! Worte, wie Frost, der alles gefriert. Wehe dem, der sich darin verliert! Worte, wie Musik, Die alles durchdringt. Tief in mir Jede Saite zum Klingen bringt! Nicht nur die Worte Zart wie Morgentau. In Blicken versinken möcht', Wenn in deine Augen ich schau! Deine Gefühle, Mal sanft, mal so stark. Ob gebändigt oder entfesselt, Mich drin verlieren mag! Ich kann es nicht mehr leugnen, Ich stets gedenke dein, Bei Sonnenauf- und -untergang, Bei Sonn'- und Mondenschein. Einst waren wir verbunden, Durch Worte, zart und fein. Nun sind wir, ach!, entschwunden, Durch Schweigen ganz allein. Die Worte mein, sie sind verschütt', Oh weh, mir armen Tor; Denn dieser reimet nimmer mehr, Der seine wahre Lieb' verlor. Fortan ich schweigen muss! Und diesen Bann Nur lösen kann Der wahren Liebe Kuss!" --- Das Liedlein ist gesungen, Das Liedlein, es ist aus. Die letzte Stroph' verklungen, So gehet nun nach Haus. Ein Trost sei euch gesaget: Nichts ist für Ewigkeit! Auch diese Zeilen werden Verblassen mit der Zeit. PS: Den einen Vers ich hab' gestohlen Bei meiner Liebsten fein. Ich gebe zu: Ich tat es unverholen. Sie möge mir verzeih'n.